Vom Amtsgeheimnis zur Informationsfreiheit: Was Österreichs neues IFG für Transparenz, Demokratie und Verwaltung bedeutet

Österreich hat mit 1. September dieses Jahres das bis dahin verfassungsrechtlich verankerte Amtsgeheimnis abgeschafft und ein neues Informationsfreiheitsgesetz (IFG) in Kraft gesetzt. Nach fast 100 Jahren endet damit formal die Ära der „Amtsverschwiegenheit“. Transparenz soll künftig die Regel sein, Geheimhaltung nur noch die Ausnahme. Doch bringt das IFG tatsächlich einen großen Wurf und läutet es eine Kultur der offenen Verwaltung ein? Oder bleiben viele Dinge trotz neuen Anstrichs beim Alten?

Vom Amtsgeheimnis zum Grundrecht auf Information

Das IFG bringt zweifellos bedeutende Änderungen: Der Verfassungsartikel zum Amtsgeheimnis (Art. 20 Abs. 3 B-VG) wurde ersatzlos gestrichen. An seine Stelle tritt ein neues Grundrecht auf Zugang zu Information (Art. 22a B-VG). Gleichzeitig wurden die bisherigen Auskunftspflichtgesetze des Bundes und der Länder außer Kraft gesetzt. Informationsfreiheit ist nun bundeseinheitlich geregelt, mit klaren Vorgaben, wie Behörden Informationen zugänglich machen müssen, was aber nicht bedeutet, dass Landesgesetze nicht mehr beachtlich wären.

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Zugang zu Informationen steht jedermann zu, also auch Ausländerinnen und Unternehmen. Es fußt auf zwei Säulen: erstens einer proaktiven Veröffentlichungspflicht für Informationen von allgemeinem Interesse und zweitens einem individuellen Anspruch auf Informationszugang auf Antrag.

Verwaltungsdaten, die bisher unter dem Mantel des Amtsgeheimnisses verborgen blieben, sollen damit grundsätzlich öffentlich zugänglich werden – sofern nicht besondere Geheimhaltungsgründe entgegenstehen (dazu gleich mehr). Die Behörden hatten über ein Jahr Vorlauf, um sich auf diesen Paradigmenwechsel vorzubereiten, in dieser Zeit wurde auch ein Leitfaden der Datenschutzbehörde (DSB) erstellt. Zudem mussten zahlreiche bestehende Gesetze geändert werden, um Verweise auf die Amtsverschwiegenheit durch das neue Transparenzregime zu ersetzen.

Bemerkenswert ist, dass das IFG keine eigene Transparenzbehörde vorsieht. Die Beratung informationspflichtiger Organe bzw. Einrichtungen liegt bei der bestehenden DSB, die damit sowohl im Zusammenhang mit dem Schutz personenbezogener Daten als auch mit der Dissemination von Informationen Kompetenzen trägt. Für den Fall einer Informationsverweigerung besteht die Möglichkeit, einen Bescheid anzufordern, diesfalls obliegt die Durchsetzung des Informationsrechts den Verwaltungsgerichten.

Was bleibt geheim?

Bereits nach der alten Rechtslage war eine Interessenabwägung vorgesehen, auch wenn sie nicht ausdrücklich so genannt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat bereits vor dem neuen Informationsfreiheitsgesetz klargestellt, dass im Einzelfall eine Interessenabwägung stattzufinden hat und damit zu prüfen ist, ob und inwieweit eine Amtsverschwiegenheit tatsächlich entgegensteht. Dabei waren die Interessen des Auskunftswerbers (Anfragestellers) gegen das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person abzuwägen. Diese Interessenabwägung basierte auf der allgemeinen Auskunftspflicht und der gerichtlichen Auslegung des Amtsgeheimnisses, der Kanon möglicher Interessen war breit gefasst.

Das IFG definiert nun konkretere Geheimhaltungsgründe der Behörden. So bleiben Informationen etwa unter Verschluss, wenn ihre Veröffentlichung etwa die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder zwingende außen- und integrationspolitische Interessen gefährden würde. Nach früherem Recht waren Auskünfte nur soweit zu erteilen, wie sie die „Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigen“, es stand also die Funktionsfähigkeit der Verwaltung im Vordergrund. Das IFG kennt diese Formulierung nicht mehr, sondern schützt nun explizit vor der „Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens“ für Organe und Gebietskörperschaften. Damit verschiebt sich der Schwerpunkt: Weg vom organisatorischen Selbstschutz der Verwaltung, hin zum ökonomischen Interesse des Staates, etwa in Verhandlungen oder bei Vermögensfragen.

Neben den Eigeninteressen der Verwaltung können auch die Interessen Dritter eine Verweigerung rechtfertigen – etwa wenn es um den Schutz personenbezogener Daten oder um Geschäftsgeheimnisse geht. Diese Logik galt schon unter der alten Rechtslage, die Amtsverschwiegenheit sah Verschwiegenheitspflichten im überwiegenden Interesse der Parteien vor. Das IFG übernimmt diesen Gedanken und ändert materiell wenig. Neu ist vor allem, dass die Gründe für eine Verweigerung nun explizit im Gesetz aufgezählt und damit klarer strukturiert sind. Damit wird mehr Transparenz darüber geschaffen, wann Informationszugang verweigert werden darf, auch wenn der rechtliche Gehalt im Wesentlichen derselbe bleibt.

Was legt die Behörde von sich aus offen?

Eine weitere Neuerung ist die proaktive Informationspflicht der Verwaltung. Öffentliche Stellen sind nun verpflichtet, bestimmte Informationen ohne Antrag allgemein zugänglich zu machen. Alles, was für einen größeren Personenkreis relevant ist – sogenannte „Informationen von allgemeinem Interesse“ – soll künftig zeitnah und barrierefrei im Internet veröffentlicht werden. Beispiele sind Organisationspläne, Tätigkeitsberichte, Amtsblätter, amtliche Statistiken, von Behörden erstellte oder in Auftrag gegebene Studien, Gutachten, Umfragen sowie Verträge. Verträge ab einem Wert von 100.000 Euro gelten jedenfalls als von allgemeinem Interesse und müssen veröffentlicht werden. Für die Bereitstellung dieser Daten wird ein zentrales Informationsregister auf der Plattform data.gv.at eingerichtet, wo alle veröffentlichungspflichtigen Dokumente auffindbar sein sollen. Vor einer proaktiven Veröffentlichung sind dieselben Prüfungen vorzunehmen wie bei einem individuellen Antrag.

Die Veröffentlichungspflicht gilt für alle Verwaltungsorgane des Bundes, der Ländern und größeren Gemeinden. Gemeinden unter 5.000 Einwohnern sind ausgenommen.

Gerade bei der proaktiven Veröffentlichungspflicht zeigen sich mögliche Reibungen mit den Geheimhaltungsinteressen des IFG. Was das Gesetz als „Informationen von allgemeinem Interesse“ definiert, kann in der Praxis sehr unterschiedliche Sensibilitäten berühren. Studien, Gutachten oder Stellungnahmen enthalten nicht selten personenbezogene Daten – etwa in sozial- oder gesundheitswissenschaftlichen Erhebungen – oder vertrauliche Informationen externer Auftragnehmer. Verträge ab 100.000 Euro machen den Mitteleinsatz nachvollziehbar, können aber Preisgestaltungen, technische Spezifikationen oder strategische Kalkulationen von Unternehmen offenlegen. Organisationspläne und Geschäftsordnungen sind meist unproblematisch, könnten bei Sicherheitsbehörden jedoch Rückschlüsse auf Einsatzstrukturen zulassen. Tätigkeitsberichte wiederum dokumentieren oft Leistungen von Mitarbeiter:innen oder erfassen Fallzahlen, die in kleineren Einheiten Rückschlüsse auf Einzelpersonen ermöglichen. Selbst bei amtlichen Statistiken kann es – etwa bei sehr kleinen Stichproben – zu Konflikten mit dem Datenschutz kommen. In all diesen Fällen müssen Behörden abwägen und gegebenenfalls nur Teilinformationen veröffentlichen, etwa durch Schwärzungen oder Anonymisierungen. Die Pflicht zur Transparenz bleibt bestehen, doch die Geheimhaltungsgründe werden der Veröffentlichungspraxis in vielen Bereichen enge Grenzen setzen.

Informationszugang auf Antrag

Unter dem früheren Auskunftspflichtgesetz hatten Bürger:innen zwar ebenfalls ein Recht auf Auskunft, diese musste binnen acht Wochen erteilt werden. Der Anspruch war jedoch auf eine allgemeine mündliche oder schriftliche Information beschränkt; ein Recht auf Einsicht in Dokumente oder E-Mails bestand nicht. Mit dem IFG hat sich dies deutlich geändert: Die Frist wurde auf vier Wochen verkürzt, und erstmals umfasst der Anspruch ausdrücklich den Zugang zu allen vorhandenen Aufzeichnungen – also auch Verträgen, Aktenvermerken oder elektronischen Daten. Unverändert geblieben ist lediglich, dass Behörden keine neuen Analysen oder Berichte erstellen müssen, wenn entsprechende Informationen nicht vorliegen.

Ein Unterschied zur früheren Rechtslage betrifft die Form des Informationszugangs. Während nach dem Auskunftspflichtgesetz in der Regel nur eine allgemeine Auskunft in mündlicher oder schriftlicher Form erteilt wurde, definiert das IFG den Begriff „Information“ nun ausdrücklich als jede aufgezeichnete, amtlichen Zwecken dienende Information, unabhängig von Form und Medium (§ 2 Abs. 1 IFG). Damit besteht erstmals ein Anspruch auf Zugang zu vorhandenen Dokumenten oder Daten, nicht bloß auf eine zusammenfassende Auskunft. Nach § 7 Abs. 3 IFG soll die Behörde zudem – soweit möglich – der vom Antragsteller gewünschten Form der Übermittlung entsprechen. Keine Verpflichtung besteht allerdings, neue Informationen zu erstellen oder vorhandene Inhalte in andere Formate zu übertragen.

Fazit

Das IFG stellt grundsätzlich einen Meilenstein auf dem Weg zum „gläsernen Staat“ dar. Das ist nur fair, denn auf dem Weg zum „gläsernen Menschen“ ist der Staat bereits weit vorangeschritten. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass das IFG keinen radikalen Bruch mit der bisherigen Praxis erzwingt. Viele der alten Schutzinteressen bleiben bestehen, nur in präziserer und transparenterer Form. Es bleibt natürlich abzuwarten, wie sich die Auslegungspraxis des IFG auf das politische Leben in diesem Land auswirken wird. Absehbar ist jedenfalls, dass die Kombination aus aktiver Informationspflicht und gebotener Prüfung schutzwürdiger Interessen Behörden dazu zwingt, laufend Ressourcen für die Umsetzung des IFG aufzubringen. Wer die Informationsfreiheit leben möchte, sei auf die Website fragdenstaat.at verwiesen, das Anfrageportal des „Forum Informationsfreiheit“, dessen unermüdlicher Tätigkeit das IFG nicht unwesentlich zu verdanken ist. Ceterum censemus: Es ist unser Staat, unser Geld, und in den Behörden arbeiten unsere Angestellten. (Jan Hospes, Ewald Scheucher, 22.9.2025)

(Jan Hospes, Ewald Scheucher 22.9.2025)

Hinweis: Dieser Beitrag wurde als Blogpost (Verlinkung zum Orginialbeitrag) im Blog: Digital Human Rights auf derstandard.at publiziert.

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