Die Bundesregierung möchte mit einer aktuell in Begutachtung befindlichen Novelle der StVO die Grundlage für Kameraüberwachung zur Sanktionierung von Verkehrsdelikten schaffen. Das Research Institute – Digital Human Rights Center hat den Vorschlag analysiert und dazu eine Stellungnahme eingebracht, die zum Ergebnis kommt, dass das Vorhaben verfassungswidrig ist. Geplant ist die Erfassung des unberechtigten Befahrens speziell definierter Bereiche mittels „bildverarbeitender technischer Einrichtungen“. Unter anderem plant die Stadt Wien, auf dieser Grundlage alle Einfahrten in die Wiener Innenstadt lückenlos zu überwachen. Dies würde bedeuten, eine dreistellige Zahl von Kameras aufzustellen (mehrere pro Ein-/Ausfahrt), die auf den öffentlichen Raum gerichtet sind und dort in die Grundrechte einer Vielzahl unbeteiligter Personen eingreifen würden, auch von Teilnehmer*innen an Demonstrationen, die genau dort regelmäßig stattfinden.

Die Stellungnahme kommt zum Ergebnis, dass der vorliegende Entwurf eines § 98h StVO sowohl in Gänze als auch in mehreren Details verfassungswidrig ist.

  • Insbesondere erfüllt der gewählte Ansatz, auf gesetzlicher Ebene eine Verordnungsermächtigung zu schaffen, die weder festlegt, in welchem konkreten örtlichen Bereich eine Überwachungsmaßnahme eingeführt werden soll, noch aus welchen faktischen Notwendigkeiten sich welcher konkrete Zweck und somit die Erforderlichkeit der Maßnahme ableitet, und auch keine spezifischen Anforderungen für die technische Umsetzung enthält, nicht die verfassungsmäßig gebotene Bestimmtheit einer solchen Eingriffsnorm. Auch kann aufgrund der mangelnden Bestimmtheit nicht festgestellt werden, dass die Norm verhältnismäßig ist und die Grundsätze der Zweckbindung und der Datenminimierung sowie das Gebot des gelindesten Mittels einhält bzw. die auf sie gestützten Verordnungen diesbezüglich entsprechend determiniert.
  • Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 2 DSG sind gelindere Mittel auszuschöpfen, bevor die Überwachung durch bildverarbeitende technische Einrichtungen angeordnet wird. Ein gelinderes Mittel steht jedenfalls überall dort zur Verfügung, wo eine Einfahrtsbeschränkung derzeit noch nicht angeordnet ist, indem man diese zunächst anordnet, um zu erheben, ob diese tatsächlich ohne Überwachung durch bildverarbeitende technische Einrichtungen in unvertretbarer Weise nicht eingehalten wird.

Die Stellungnahme empfiehlt daher, von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen.

Darüber hinaus sind folgende Einzelaspekte des Entwurfs als besonders problematisch einzustufen:

  1. Es ist nicht vorgesehen, dass die bildverarbeitenden technischen Einrichtungen während Großereignissen, insbesondere Demonstrationen (bei denen die betroffenen Verkehrsflächen üblicherweise für Fahrzeuge gesperrt sind und von Teilnehmenden betreten werden), mit einer geeigneten und gut sichtbaren Abdeckung zu versehen sind.
  2. Der Zugriff durch die Sicherheitsbehörden (§ 53 Abs 5 SPG) ist nicht ausgeschlossen.
  3. Die Erfassung von Fahrzeuglenker*innen ist überschießend.
  4. Die durchgeführte Datenschutz-Folgenabschätzung entspricht nicht den rechtlichen Anforderungen, insbesondere da sie keine Bewertung der Risiken für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen gemäß Art 35 Abs 7 lit c DSGVO enthält.

Die Stellungnahme wurde offiziell auf der Website des Parlaments eingebracht und ist dort zum Download verfügbar: https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVIII/SNME/2664

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